Flüssiges Gold und dunkle Geheimnisse über Whisk(e)y

Welcome to the Dr(e)am Factory: Whisky im Film noir

Der Film noir, ein Terminus, der in den 1940er und 1950er- Jahren in Hollywood florierte, zeichnet sich durch seine düstere Ästhetik, moralische Ambiguität und komplexe Charaktere aus. Eine zentrale Rolle in vielen dieser Filme spielte auch Whisky, der nicht nur als Getränk, sondern auch als symbolisches Element verwendet wurde. Er stand dabei oft für Männlichkeit, Korruption und den inneren Konflikt der Charaktere. Und für die „Verführung im Glas“… von Daniel Wagner.

 

Wörtlich aus dem Französischen als "schwarzer Film" übersetzt, wird mit dem Begriff „Film noir“ eine Reihe von zynischen und durch eine pessimistische Weltsicht gekennzeichneten amerikanischen Kriminalfilmen der 1940er und 1950er-Jahre klassifiziert. Die Filme sind geprägt von einer Welt voller Korruption, Verrat und existenzieller Verzweiflung. Visuelle Markenzeichen sind starke Hell-Dunkel-Kontraste, Schatteneffekte und eine allgemein melancholische Stimmung. In der düsteren Welt des Film noir steht Whisky jedoch für viel mehr als nur für ein alkoholisches Getränk. Er verkörpert Stärke und Männlichkeit, aber auch Laster und moralischen Verfall. In einer Welt, in der Vertrauen rar und Verrat häufig ist, wird Whisky oft als Mittel verwendet, um die harte Realität zu ertragen. Charaktere, die häufig Whisky trinken, werden als hartgesottene, abgeklärte Figuren dargestellt. Der Privatdetektiv, der nach einem langen Tag an einem Fall ein Glas Whisky trinkt, oder der korrupte Polizist, der seine Sorgen im Alkohol ertränkt, sind typische Szenarien im Film noir. Whisky dient dazu, die Härte und das Leid dieser Charaktere zu verdeutlichen.

 

Die dunkle Seite des Glases: Ikonische Filmszenen

Einige der denkwürdigsten Film noir beinhalten prägende Szenen mit Whisky. In DIE SPUR DES FALKEN (1941)von John Huston bietet Detektiv Sam Spade (gespielt vom großen Whiskyfan Humphrey Bogart) seiner Auftraggeberin Brigid O'Shaughnessy (Mary Astor) einen Drink an, welcher eine Mischung aus Misstrauen bei gleichzeitiger Anziehung zwischen den Charakteren symbolisieren soll. In FRAU OHNE GEWISSEN (1944) von Billy Wilder wird der junge Versicherungsvertreter Walter Neff (Fred MacMurray)von einer Frau verführt, die ein Mordkomplott gegen ihren Ehemann plant. Neff ist nicht selten mit einem Tumbler in der Hand zu sehen, oftmals wenn es gerade um tiefgreifende moralische Fragen geht. LAURA (1944) vom österreichischen Regisseur Otto Preminger nutzt die Spirituose hingegen als Symbol für Geheimnisse und Enthüllungen.

 

Detective Mark McPherson (Dana Andrews) trinkt etwa Whisky, während er den Mord an der titelgebenden Hauptfigur Laura Hunt (Gene Tierney) untersucht. Der Whisky symbolisiert dabei seine methodische, aber auch persönliche Verbindung zum Fall. TOTE SCHLAFEN FEST (1946) von Howard Hawks zeigt Privatdetektiv Philip Marlowe (erneut Humphrey Bogart) in vielen Szenen mit Tumbler in der Hand. Der eigentlich sonst so harte Kerl bekommt beim nachdenklichen Genuss dadurch auch eine durchaus verletzliche und damit nahbare Seite. Und in IM NETZ DER LEIDENSCHAFTEN (1946), welcher auf dem Roman „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ beruht, trinken die Hauptfiguren Frank Chambers (John Garfield) und Cora Smith (Lana Turner) in einer Szene gemeinsam Whisky, was gleichzeitig den Beginn ihrer verhängnisvollen Affäre markiert.

 

Dass manchmal schon der Klang von Whisky ausreicht, um Spannung aufzubauen, zeigt indes RÄCHER DER UNTERWELT (1946) vom deutschen Regisseur Robert Siodmak. Hier verstärkt das Geräusch eines einschenkenden Whiskys die Beklemmung und Erwartung in einer der Schlüsselszenen, sorgt für eine düstere Atmosphäre und unterstreicht die drohende Gewalt. In DER SCHARLATAN (1947) wird Whisky hingegen verwendet, um den Abstieg des Protagonisten Stanton Carlisle (Tyrone Power) darzustellen. Sein zunehmender Alkoholmissbrauch spiegelt seinen moralischen und beruflichen Niedergang wider. Ebenfalls dem Niedergang geweiht ist Protagonist Frank Bigelow (Edmond O'Brien) in OPFER DER UNTERWELT (1950). Er trinkt Whisky, nachdem er erfährt, dass er vergiftet wurde und nur noch kurze Zeit zu leben hat. Whisky steht hier symbolisch für die verzweifelte Suche nach Antworten und die Akzeptanz des eigenen Schicksals. Und auch in einem der letzten Film noir der „klassischen Ära“ kommt Whisky vor. In IM ZEICHEN DES BÖSEN (1958) von Orson Welles greift der korrupte Polizeichef Hank Quinlan (gespielt von Welles selbst) regelmäßig zur Flasche, was in diesem Fall seine moralische Korruption und den Verfall seiner einstigen Integrität unterstreicht.

 

Whisky als dramaturgischer Treibstoff und Spiegel gesellschaftlicher Zustände

Der Antiheld im Film noir ist oft ein komplexer Charakter, der wie ein Fähnlein im Wind zwischen Gut und Böse schwankt. Whisky ist dabei sein treuer Begleiter, der die düstere Innenwelt dieser Figur offenbart. Der Alkohol dient als Flucht vor der Realität und als Mittel, um emotionale Wunden zu lindern. Doch auch die Femme fatale, praktisch das weibliche Gegenstück zum männlichen Antihelden, nutzt Whisky - jedoch als Werkzeug der Verführung und Manipulation. Besonders deutlich wird das u.a. im erotischen Film noir-Klassiker GILDA (1946) von Charles Vidor. Hier sieht man Rita Hayworth als verführerische Gattin eines mächtigen Casinobesitzers oft mit einem Drink in der Hand.

 

Doch nicht nur die Figuren, sondern auch der jeweilige Zeitgeist spielt im Film noir eine wichtige Rolle. Wie in einer der letzten Whisky & Film-Kolumnen bereits aufgezeigt, hatte die Prohibition in den USA einen tiefgreifenden Einfluss auf die Gesellschaft, aber auch auf die Darstellung von Alkohol im Film. Obwohl die meisten Film noir nach der Prohibition entstanden, spiegelt die Präsenz von Whisky oft die dunkle Seite dieser Ära wider – illegaler Handel, Korruption und Verbrechen. Deutlich wird das etwa in DIE WILDEN ZWANZIGER (1939) von Raoul Walsh. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Whisky dann schließlich zu einem Symbol für die Unsicherheiten und Traumata der Nachkriegszeit. Viele spätere Noir-(Anti)Helden sind Kriegsveteranen, die mit ihren Erfahrungen und der Anpassung an das zivile Leben kämpfen. Whisky wird hier zu einem Mittel, um den Schmerz und die Desillusionierung zu betäuben.

 

Konfliktlösung Whisky

Dabei wurde Whisky oft auch als Mittel zur Konfliktlösung verwendet. Ein Drink kann sowohl als Angebot des Friedens aber auch als Versuch der Bestechung dienen. So bietet etwa die von Robert Mitchum gespielte Figur in GOLDENES GIFT (1947) einem Rivalen einen Drink an, um die Spannungen zu mildern, was zeigt, wie Alkohol auch als diplomatisches Werkzeug eingesetzt werden kann. Dass das auch in eine andere Richtung gehen kann, zeigt indes MURDER, MY SWEET (1944). Hier wird Whisky verwendet, um einen Charakter gesprächig zu machen und damit Lügen aufzudecken und die Wahrheit ans Licht zu bringen. Apropos „ans Licht bringen“. Natürlich spielt auch die visuelle Darstellung in so ästhetischen Werken wie dem Film noir eine prägende Rolle: Überstilisierte Schattenspiele und Lichtreflexionen in Whiskygläsern erzeugen eine geheimnisvolle und oft bedrohliche Atmosphäre; Close-ups auf das Einschenken und Trinken von Whisky betonen die Bedeutung des Moments und der Handlung. Die Verwendung von Licht und Schatten, ein Markenzeichen des Film noir, wird also auch bei der Inszenierung von Whisky eingesetzt.

 

Auch wenn hin und wieder andere Spirituosen im Film noir konsumiert werden, hat Whisky ganz klar eine besondere Stellung. Er gilt als starkes, unverfälschtes Getränk, welches zur rauen und oft kompromisslosen Welt des Noirs passt. Hier, wo die Charaktere zwar oft gebrochen, aber auch stark, unverfälscht und komplex sind – genau wie ihr Whisky.

Autor

Daniel Wagner

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