Irlands liquides Erbe

Irish Whiskey

In den vergangenen Jahrhunderten hat Irland eine bewegte Whiskeygeschichte hinter sich gebracht. Vom Poitín zum Aufstieg zu einer weltweit maßgeblichen Whiskeynation, ihrem Niedergang bis zu ihrer nun 30 Jahre währenden Renaissance gibt es den irischen Whiskey nun in neuer Vielfalt.

 

Dieser Artikel erschien zuerst in: Der Whisky-Botschafter 02/2020

 

VON PATRICK TILKE

Es ist müßig, über die Herkunft des Whiskys zu diskutieren. Ob nun Irland oder Schottland – irgendwann gelangte die durch die Araber erfundene Technik der Destillation durch irische Mönche erstmals nach Irland. Hier jedenfalls wurde ein „Aqua Vitae“ im Jahr 1405 erstmals in den Annals of Clonmacnoise erwähnt – aber ob es sich tatsächlich um Whiskey handelte? Mit der Kolonisation durch England jedenfalls wurden Lizenzen zur Destillation auch in Irland vergeben, darunter als Monopolrecht im Jahr 1608 u. a. an Sir Thomas Phillips für das Country Antrim. 1661 folgte erstmals eine Steuer auf die Whiskyproduktion auch in Irland, wodurch sich der offizielle Parliament Whiskey wie der nun illegale Poitín herausbildete.

 

Bereits damals war die Whiskeyproduktion weit verbreitet, auch wenn es nur wenige registrierte Brennereien gab. Gleichzeitig wuchs der Bedarf am Whiskey, wenn er auch bis dahin ein eher bescheidenes Kompositum aus ungereiftem, mit Gewürzen versehenem Destillat war. 1759 verordnete daher ein englisches Gesetz die ausschließliche Verwendung von Malz, Getreide, Kartoffeln und Zucker. 1779 folgte mit dem Distilling Act eine erneute Besteuerung nun auf die Kapazität der Brennblasen, was die Illegalität der bisher nicht besteuerten Brennereien beförderte und dem Poitín Vorschub leistete. Wo es einst über 1.000 registrierte Brennereien gab (die „illegalen“ nicht inkludiert), fiel die Zahl offizieller Brennereien zum Ende des 18. Jahrhunderts auf ca. 250.

 

Tradition und Moderne – die historische Kilbeggan Distillery beherbergt die wahrscheinlich ältesten Brennblasen der Welt.
Tradition und Moderne – die historische Kilbeggan Distillery beherbergt die wahrscheinlich ältesten Brennblasen der Welt.

Zudem sind erste Gründungen später großer Marken dokumentiert. 1757 gründete Matthew McManus seine Brennerei in Kilbeggan aus den Überresten eines Klosters und Peter Roe erwarb die Thomas Street Distillery in Dublin. Hier eröffnete 1782 auch Walter Teeling eine Brennerei. 1784 wurde die Old Bushmills Distillery registriert (auch wenn sie auf 1608 verweist). 1829 entstand die Brennerei Tullamore. In Cork wiederum formierte sich 1867 die Cork Distilleries Company (CDC) durch einen Zusammenschluss von Daly's, Green, North Mall und Watercourse, 1868 ergänzt um die Midleton Distillery. In Belfast gesellte sich seit 1837 Dunville & Co. hinzu, ein Tee- und Spirituosenhändler, welcher 1869 Royal Irish Distilleries gründete.

 

In den 1830er Jahren gab es noch um die 100 lizenzierte Brennereien, die in den folgenden Jahren sukzessive verschwanden, wenn auch der Excise Act von 1823 in der Zwischenzeit für einen Aufschwung sorgte. Schuld daran hatte u. a. das in jenen Jahren gegründete Temperance Movement. Zudem herrschte 1845-1849 die große Hungersnot, während derer viele Iren nach Australien oder in die USA auswanderten, um in der Fremde das viktorianische Irish Pub zu etablieren. 1875 brach in Dublin The Great Whiskey Fire of Dublin aus – es setzte 5.000 Fässer in Brand und 13 Menschen starben. 1887 gab es in Irland laut Alfred Barnard noch 28 lizenzierte und aktive Brennereien.

 

John Jameson & Son hatten schon früh einen gewichtigen Anteil an der Großproduktion von irischem Whiskey.
John Jameson & Son hatten schon früh einen gewichtigen Anteil an der Großproduktion von irischem Whiskey.

Trotz dieser Krisen kam es zum Golden Age des Irish Whiskey. Nebst Cork, Derry und Belfast hatten sich vor allem die The Liberties in Dublin – das Golden Triangle – u. a. dank wirtschaftlicher Freiheit zum Zentrum der Produktion für Dublin Whiskey entwickelt: In erster Linie waren dies die „Big Four“ William Jameson & Co. (gegr. 1752), George Roe & Co., John Jameson & Son (gegr. 1780), John Power & Son (gegr. 1791), welche höchste Reputation in Irland genossen. Hinzu kam 1873 die Dublin Whiskey Distillery Company (D.W.D.) bzw. Jones Road Distillery und die 1878 gegründete Phoenix Park Distillery. Allein in Dublin sollen jährlich ca. 10 Millionen Gallonen (ca. 40 Millionen Liter) produziert worden sein, was einem Großteil des weltweiten Bedarfs an Whisky entsprach.

 

Die Jahre des Golden Age führten auch zur Popularität des dreifach destillierten Pure Pot Still Whiskey in Dublin. Er entstand aufgrund der im Jahr 1785 eingeführten Malzsteuer, woraufhin die Brenner ihren Whiskey aus gemälzter und Rohfruchtgerste destillierten. Als Marken entstanden um ca. 1900 Green Spot und 1912 das Rotkehlchen Redbreast für die Gilbey's Wines & Spirits Import Company in Dublin. Bis heute gilt der Pot Still Whiskey als „Champagner“ unter den irischen Whiskeys. Außerhalb Dublins wurde aber auch der Single Malt und Blended Whiskey gepflegt. So sorgte z. B. Paddy Flaherty ab 1882 für einen derart guten Verkauf des Old Irish Whiskey der CDC, dass sein Name synonym mit dem Whiskey und 1912 nach ihm benannt wurde – Paddy.

 

Doch das Vergnügen um den Whiskey währte nur drei Jahrzehnte. Denn der Kampf um die Unabhängigkeit führte 1922 zur Gründung des Irish Free State. Nicht nur stand die Old Bushmills Distillery nun im englischen Nordirland. Auch führte die neue Freiheit zu einem Ausschluss aus dem Commonwealth mit seinen 25(!) Handelsnationen. Zudem sorgte die ab 1920 in den USA durchgesetzte Prohibition für einen Verlust des Hauptmarkts sowie für die Beschädigung der guten Reputation durch gepanschten Irish Whiskey. Ein dritter Grund ist die 1832 von dem Iren Aeneas Coffey patentierte Coffey Still, die, in Irland nur wenig eingesetzt, vor allem in Schottland für die Konkurrenz des Blended Scotch sorgte.

 

In der Folge versiegte der Strom am Whiskey. Die Phoenix Park Distillery schloss 1921, Willam Jameson & Co. und George Roe & Co. im Jahr 1923. Kilbeggan stoppte 1924 die Produktion, nahm sie 1931 nach Ende der Prohibition noch einmal auf und schloss im Jahr 1953 für lange Zeit. Auch schlossen 1936 Royal Irish Distilleries in Belfast und 1945 D.W.D. in Dublin ihre Tore. Tullamore D.E.W schloss 1954. In Nordirland blieb nur die Old Bushmills Distillery bestehen. Und im neuen Irland ab 1937 überlebten nur John Jameson & Son, John Power & Son in Dublin sowie CDC in Cork die harten Jahre.

 

Whiskey und Kaffee – der Irish Coffee gehört zu den berühmtesten Whiskey Drinks überhaupt – hier mit The Dubliner Whiskey & Honeycomb.
Whiskey und Kaffee – der Irish Coffee gehört zu den berühmtesten Whiskey Drinks überhaupt – hier mit The Dubliner Whiskey & Honeycomb.

Wer noch an irischen Whiskey kam – sei es durch Restbestände, auf dem Schwarzmarkt oder von den verbliebenen Brennereien, konnte ihn in quasi tröstender Weise noch im berühmten Irish Coffee genießen. Diese Melange aus karamellisiertem Zucker, Irish Whiskey, Kaffee und halb aufgeschlagener Sahne wurde 1943 von dem Bartender Joe Sheridan in einem Restaurant des Flughafens Foynes (heute Shannon International Airport) erfunden. Popularität erlangte er ab 1952 im Café Buena Vista in San Francisco durch den Journalisten und Pulitzerpreisträger Stanton Delaplane, der dem Inhaber Jack Koeppler vom Irish Coffee berichtete.

 

In den 1960er Jahren konsolidierte sich der Irish Whiskey. 1966 gründeten die CDC und die verbliebenen Brennereien Irish Distillers Limited (IDL) und stellten sich in der New Midleton Distillery, Midleton, neu auf, 1970 ergänzt um die Old Bushmills Distillery. Im Juli 1975 zog John Jameson & Son nach Midleton. 1989 wurde IDL von Pernod Ricard erworben. Bereits 1987 gründete der Unternehmer John Teeling die Cooley Distillery als einzige unabhängige Whiskeybrennerei Irlands und etablierte Kilbeggan neu. Seine Single Malts und Blended Whiskeys (Tyrconnell, Connemara, Locke´s und Kilbeggan) wurden seit den 1990er Jahren vielfach ausgezeichnet. Spätestens nun war in Irland der Anflug einer zarten Renaissance des Irish Whiskey zu verspüren.

 

Frauenpower – Helen Mulholland ist seit Master Blenderin bei Old Bushmills und seit über 25 Jahren dabei. Dafür wurde sie bereits ausgezeichnet.
Frauenpower – Helen Mulholland ist seit Master Blenderin bei Old Bushmills und seit über 25 Jahren dabei. Dafür wurde sie bereits ausgezeichnet.

Im neuen Jahrtausend hörte man schließlich erstmals von West Cork Distillers in Südwestirland, die neue Impulse setzten. Seit 2010 erfolgten zudem massive Investment bei der federführenden New Midleton Distillery, darunter für die Verdopplung der Produktion, womit eine der modernsten Brennereien der Welt mit einer Produktionskapazität von 64 Millionen Liter pro Jahr entstand – eine „Atomanlage“ unter den Whiskeybrennereien. Das „The New Garden Stillhouse“ umfasst u. a. sechs Pot Stills mit einem Fassungsvermögen von je 75.000 Litern, was sie zu den größten der Welt macht. Dazu kommen u. a. eine Experimentalbrennerei, viele Lagerhäuser und eine eigene Küferei.

 

Zudem konnten sich viele weitere ausländische Big Player in Irland etablieren: William Grant & Sons mit der Marke Tullamore D.E.W. und der neuen Tullamore D.E.W. Distillery am alten Standort, Beam Suntory mit der von Teeling übernommenen Cooley und Kilbeggan Distillery, Brown-Forman mit der Marke Slane Castle und der neuen Slane Distillery, ILLVA Saronno S.p.A. mit dem Iren Bernard Walsh und der Walsh Whiskey Distillery (die nun gänzlich zu ILLVA gehört), die Sazerac Company mit der Marke Paddy, Cognac Camus mit Lambay und die Diageo plc mit Roe & Co und der jüngst eröffneten Roe & Co Distillery.

 

Wieder auferstanden – die Brennerei Roe & Co wurde im alten Guinness Power House in den The Liberties neu eröffnet und bietet u. a. eine Bar.
Wieder auferstanden – die Brennerei Roe & Co wurde im alten Guinness Power House in den The Liberties neu eröffnet und bietet u. a. eine Bar.

Neben diesen großen Investments folgten in den letzten Jahren weitere Brennereien in ganz Irland, darunter Dingle, Great Northern, Waterford, Walsh Whiskey, Boann, Powerscourt, Clonakilty sowie Echlinville als erste lizenzierte Whiskybrennerei in Nordirland seit 125 Jahren. In Dublin wurde das Besucherzentrum der historischen Jameson Distillery Bow St. renoviert, und in den The Liberties haben sich neue Brennereien etabliert – die Teeling Whiskey Company (TWC), Pearse Lyons in einer gotischen Kirche, The Dublin Liberties Whiskey Company (DLWC) und die vorgenannte Roe & Co Distillery.

 

Die 2015 eröffnete Teeling Whiskey Distillery ist die erste neue Brennerei in Dublin seit über 125 Jahren.
Die 2015 eröffnete Teeling Whiskey Distillery ist die erste neue Brennerei in Dublin seit über 125 Jahren.

In diesen Jahren des Booms, genauer 2014, fiel zudem die Gründung der Irish Whiskey Association (IWA), um die Zukunft des Irish Whiskey in geordnete Bahnen zu lenken. Sogleich veröffentlichte man eine „Irish Whiskey Technical File“, welche den Irish Whiskey u. a. neu definiert. 2015 folgte eine „Vision for Irish Whiskey“ und 2016 eine „Irish Whiskey Tourism Strategy“. Seither entwickelt man eigene Exportstrukturen und arbeitet am Schutz der geografischen Herkunft für Irish Whiskey. Zudem heißt der einstige Pure Pot Still Whiskey dank des United States Tax and Trade Bureau nun Single Pot Still Whiskey.

 

Es hat sich viel getan in den letzten Jahren um den irischen Whiskey. Knapp 30 Jahre währt nun seine Renaissance. Die Geschichte braucht nun einmal ihre Zeit, um maßgebliche Umwälzungen zu hervorzubringen. Doch heute gibt es viele neue Whiskeys am Markt – ob nun Pot Still, Malt, Grain oder Blended, in Form von experimentellen Versuchen oder in speziellen Fassreifungen. Und sie bieten viele Einblicke in die Geschichte und Kultur wie in das modernen „Whiskytum“ Irlands. Das zeugt von Attraktivität, und nicht umsonst ist Irish Whiskey die am schnellsten wachsende Spirituosenkategorie weltweit. Daran hat auch Deutschland nach den großen Nationen einen wichtigen Anteil. Auch wäre so viel mehr zu erzählen, doch leider ist der Platz begrenzt …

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