Islays Arbeitstier lässt tief blicken

Caol Ila Distillery

Wer die Insel Islay besucht, kommt in der Regel nicht nur wegen ihrer spektakulären Landschaft und ihren historischen Sehenswürdigkeiten. Wer die Insel Islay besucht, kommt in der Regel auch, wenn nicht sogar vor allem wegen ihrer zahlreichen Destillerien. Der Besuch einiger von ihnen ist geradezu ein Muss, wenn man schon mal auf der Insel ist. Ob auch ein Besuch der Caol Ila Distillery ein Muss ist oder sich zumindest lohnt, hat sich „Der Whisky-Botschafter“ für Sie angeschaut.

 

Die Lage der Caol Ila Distillery könnte spektakulärer kaum sein: unmittelbar am Sound of Islay, jener Meerenge, die die Inseln Islay und Jura voneinander trennt, mit einem fantastischen Blick – zumindest bei schönem Wetter – auf die sogenannten Paps of Jura. Der Anblick der Destillerie selbst ist hingegen alles andere als spektakulär, – handelt es sich doch um eher unscheinbare, zweckmäßige, in Teilen sogar fabrikähnliche Gebäude, die zum größten Teil aus den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts stammen und insofern deutlich jünger sind als das 1846 gegründete Unternehmen.

 

Bis vor kurzem beschränkte sich das Besucherzentrum der Caol Ila Distillery auf einen einzigen Raum, in dem es schnell mal zu eng werden konnte. Das ist seit kurzem anders. Denn der Eigentümer der Destillerie, der weltgrößte Spirituosen-Konzern Diageo, hat seit 2020 nicht weniger als 185 Millionen Britische Pfund investiert, um die Destillerien Glenkinchie, Cardhu, Clynelish und eben Caol Ila mit neuen Besucherzentren auszustatten. Letzteres ist in einem ehemaligen Lagerhaus untergebracht – dem einzigen, das es vor Ort gibt. Die feierliche Eröffnung erfolgte im August 2022.

 

Erreichbarkeit / Öffnungszeiten

Die Caol Ila Distillery liegt versteckt in einer kleinen Bucht, die nur über eine einzige, kurvenreiche Straße zu erreichen ist. Dennoch kann man sie kaum verfehlen, denn der Weg dorthin ist bestens ausgeschildert. Einziger Wermutstropfen: Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, muss die letzte, etwa zwei Kilometer lange Etappe zu Fuß bewältigen. Sie führt von der benachbarten Bucht, näherhin von Port Askaig, über eine zum Teil viel befahrenen Straße ohne Gehwege. Geöffnet ist das ganze Jahr hindurch an allen Tagen der Woche von 10:00 Uhr bis 17:00 Uhr.

 

Bewertung: Gut

 

 

Ambiente / Erster Eindruck

Zusammen mit dem neuen Besucherzentrum wurde auch ein geräumiger Parkplatz geschaffen, der sich gleich oberhalb der Destillerie befindet. Von dort aus gelangt man über Fußwege und eine aufwendige Brückenkonstruktion direkt in das Obergeschoss des Lagerhauses, in dem sich nun das Besucherzentrum befindet. Letzteres macht einen weitläufigen, freundlichen, wenngleich etwas zu stylishen Eindruck, um noch als idyllisch gelten zu können. Dafür entschädigt der fantastische Blick durch die breite Fensterfront hinaus auf den Sound of Islay und die Nachbarinsel Jura.

 

Bewertung: Sehr Gut

 

 

Team

Rein zahlenmäßig hat man das Destillerieteam deutlich aufgestockt, was aber wohl schlicht unvermeidlich war, denn ein derart weitläufiges Besucherzentrum ließe sich anders gar nicht betreiben. Gleich am Eingang werden Besucherinnen und Besucher freundlich begrüßt und auf die Angebote und Möglichkeiten aktiv aufmerksam gemacht. Dass nicht jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter auf alle Fragen zu antworten vermochte, mag der Tatsache geschuldet sein, dass das neue Besucherzentrum zum Zeitpunkt dieses Distillery
Checks erst wenige Wochen in Betrieb war.

 

Bewertung: Gut

 

 

Angebote

Aktuell werden zwei verschiedene Touren angeboten: Die auch als „Flavour Journey“ bezeichnete Standard-Tour kostet die mittlerweile allgemein üblichen 20 Pfund pro Person. Sie dauert eineinhalb Stunden und endet mit der Verkostung dreier Whiskys sowie eines Cocktails. Wem der Sinn nach mehr steht, kann stattdessen die „Spirit of Smoke“-Tour buchen, die auch als „Cask Draw and Tasting Experience“ beworben wird und ebenfalls eineinhalb Stunden dauert. Für die Verkostung einer unbestimmten Zahl von Fassproben muss man dabei allerdings stattliche 60 Pfund bezahlen.

 

Bewertung: Befriedigend

 

 

Gastronomische Versorgung

Das neue Besucherzentrum verfügt über eine Bar, an der man nicht nur warme und kalte Getränke (inklusive
einer reichen, schwerpunktmäßig aus den Diageo-Destillerien stammenden Whiskyauswahl) bekommen kann, sondern auch ein zwar nicht allzu üppiges, aber edles Angebot an (hauptsächlich kalten) Speisen. Dazu gehören vor allem Speisen, die sich gut mit Whisky kombinieren lassen – wie zum Beispiel Käse und Meeresfrüchte. Es muss also niemand fürchten, die Caol Ila Distillery hungrig wieder verlassen zu müssen – im Gegenteil: Die Bar lädt zum Verweilen ein.

 

Bewertung: Sehr Gut

 

 

Distillery Shop

Ähnlich wie bei den neuen Distillery Shops von Glenkinchie, Cardhu und Clynelish ist das, was einem in der Caol Ila Distillery erwartet, mit dem Begriff „Distillery Shop“ kaum angemessen beschrieben. Es handelt sich fast schon um ein Kaufhaus, in dem man alles bekommen kann, was man sich als Whisky-Liebhaberin und -Liebhaber nur wünschen kann. Besonders hervorzuheben sind die sage und schreibe vier
„Distillery Exclusive“-Abfüllungen, die zum Zeitpunkt dieses Distillery Checks erhältlich waren. Eine davon konnte man sich aus einem bereitstehenden Fass selbst abfüllen.

 

Bewertung: Sehr gut

 

 

Preis-Leistungs-Verhältnis

Nach dem Ende der Corona-Pandemie hat man die Preise in der Caol Ila Distillery deutlich erhöht – und zwar sowohl für die Touren als auch für das Angebot des Distillery Shops. Ein erheblicher Teil dieser Preiserhöhungen, die keineswegs immer mit einem Mehrwert einhergehen, sind zweifellos dem Brexit, den gestiegenen Energiepreisen und der Inflation geschuldet. So sehenswert die Caol Ila Distillery und ihr schickes neues Besucherzentrum auch sein mögen: Es gibt auf der Insel Islay mehrere andere Destillerien, wo man für dasselbe Geld einiges mehr geboten bekommt.

 

Bewertung: Befriedigend

 

 

Fazit

Es hat sich einiges verändert in der Caol Ila Distillery. Besucherinnen und Besucher waren zwar auch bislang schon willkommen, aber so richtig eingestellt darauf war man nicht. Das ist jetzt anders: Das neue Besucherzentrum soll und wird vermutlich ein Publikumsmagnet werden, denn es bietet alles, was sich Touristinnen und Touristen heutzutage erwarten – ganz egal, ob sie jetzt zur Whisky-Community gehören oder einfach mal etwas Neues ausprobieren wollen. Die bisherige Patina der Anlage ist dadurch allerdings zu einem nicht unerheblichen Teil wegpoliert worden.

 

Immerhin ist das, was das Wesen und die Bestimmung der Caol Ila Distillery ausmacht, gleichgeblieben: Man produziert hier weiterhin soliden, Islay-typischen Spirit, der sich in der Whisky-Community nach wie vor nicht immer der gebührenden Wertschätzung zu erfreuen vermag. Die Caol Ila Distillery ist nun mal ein klassisches Arbeitstier der schottischen Whisky-Branche. Und daran hat sich nichts geändert, auch wenn man sich jetzt stolz als „Islay Home of Johnnie Walker“ präsentiert. Insofern kann zumindest niemand behaupten, dass hier manches mehr Schein als Sein wäre.


Mystery DistilleryCheck

Caol Ila Distillery      
Testurteil     1,8
       
Erreichbarkeit / Öffnungszeiten     2
Ambiente / Erster Eindruck     1
Team     2
Angebote     3
Gastronomische Versorgung     1
Distillery Shop     1
Preis-Leistungs-Verhältnis     3
       

Adresse

Caol Ila Distillery
Port Askaig, Isle of Islay
PA46 7RL, Scotland
www.malts.com/en-row/distilleries/caol-ila

 

Autor

Dr. Wolfgang F. Rothe
wasserdeslebens@gmx.net

 

Fotovermerk

Wolfgang F. Rothe

Bilder zum Artikel:

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